Die Wichtigkeit von Bewegung und gutem Sehen

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Die Wichtigkeit von Bewegung und gutem Sehen

Sehen und Bewegung

In Seminaren zum Gesunden Sehen: Kopf, Nacken und Augen mit Bewegungsübungen verbinden

„Der Nacken ist der Tyrann über die Augen“
Moshe Feldenkrais

Als ich in einem Vortrag über die Wichtigkeit von Bewegung und gutem Sehen sprach, hatte ein Zuhörer ein „ Aha-Erlebnis “. In diesem Moment verstand er, warum er beim Segeln immer vergaß, seine Brille aufzuziehen. Er berichtete, wie ihn der „Ganzkörpereinsatz“ beim Segeln so locker macht, dass auch seine Augen in allen Entfernungen gut schauen. Demnach können wir die Augen nicht ohne Körperbewegung und Körperentspannung schulen.

Die Augen stehen in Verbindung mit dem ganzen Körper und besonders mit der Wirbelsäule. Die Halswirbelsäule und die Schädelbasis bezeichne ich als Tor zum Sehen. Sind Atlas und Axis leicht verschoben, können Schwindel und Sehstörungen die Folge sein. Kinder, deren Augen abweichen, schicke ich mit ihren Eltern zuerst zu einem Osteopathen, um Schiefstellungen im Nacken zu korrigieren. Danach können wir mehr an der Augenstellung bewirken. Meistens sind dann sanfte Augenübungen angebracht, wie zum Beispiel kleine Augenbewegungen in Gegenrichtung zur Schielstellung, wobei der Atem im Fokus steht.

Leider finden sich im Internet oft Übungen von Laien, die 3x20 Minuten Training fordern, um besseres Sehen zu erreichen. Dabei wird empfohlen die Augen nach rechts, links, oben und unten stark zu dehnen. Viele Klienten von mir hat das verunsichert und einige haben sich damit die Augen überanstrengt. Starke Augendehnungen sind für Menschen, die sich zum ersten Mal mit Sehtraining beschäftigen völlig ungeeignet. Zuerst sollte der Körper gelockert und Augenbewegungen angeregt werden. Und letztendlich brauchen wir die Augen nur sanft zu dehnen, um sie für leichtes, lockeres Sehen vorzubereiten.

Aber kümmern wir uns hier ganz besonders um die Bedeutung des Nackens.

Sehen - die frühkindliche Entwicklung

Gehen wir zurück in die frühkindliche Entwicklung, dann lernen wir: Der Nacken ist das erste, was das Baby zu beherrschen lernt. Vorerst sieht das Baby nach der Geburt unscharf. In der Bauchlage lernt es den Nacken zu stabilisieren und Dinge mit dem Blick zu verfolgen. Fortbewegen kann es sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das erste, was wir Menschen also lernen, ist die Koordination von Augen und Nacken. Im ersten Lebensjahr eines Kindes gilt es über Bewegungsabfolgen, wie greifen, robben, krabbeln und laufen eine gute Sehschärfe zu entwickeln. Die Akkommodation, Nah-fern-Einstellung des Auges, wird während der Bewegungsentwicklung geübt. Gleichzeitig entwickeln sich auch eine Hand-Auge-Koordination, die für alle späteren Tätigkeiten eine Grundvoraussetzung ist. Mit zwei Jahren erprobt sich das Kind dann in vielen Bewegungsabläufen wie rennen, springen, klettern, rutschen, schaukeln, um die Augen mit anderen Sinnen zu integrieren und Körper und Augen gut zusammen spielen. Da ist es naheliegend, dass die Augen in jedem Alter Bewegung brauchen, um gut zu sehen und gesund zu bleiben.Später als Erwachsene fehlt uns oft die Bewegung. Nicht umsonst gibt es immer wieder Anregungen im ​Gesundheitsbereich, sich dreißig Minuten bis zu einer Stunde pro Tag an der frischen Luft zu bewegen. Heute wissen wir, dass die hohe Kurzsichtigkeit in Asien ihre Ursache im vielen Sitzen in Innenräumen und dem kurzen Abstand vor Bildschirmen hat. In Taiwan wurde ein Programm entwickelt, dass Schülern während der Schulzeit, eine Pause von mehr als eine Stunde vorschreibt. In dieser Zeit spielen die Kinder an der frischen Luft. Dieses Programm zeigte einen direkten Erfolg, indem die Kurzsichtigkeit wieder rückläufig wurde.

Viva Creavista Firmenseminare Gesundes Sehen

In Firmenseminaren berichten Arbeitnehmer immer wieder davon, wie sie eigene Bedürfnisse nach Bewegung übergehen. Der Nacken schmerzt, die Schultern verspannen sich und die Buchstaben verschwimmen vor den Augen. Obwohl der Körper längst eine Pause vom Sitzen braucht und die Augen sich nicht mehr scharf stellen, arbeiten sie weiter und übergehen dabei eine Reihe der oben genannten Symptome. Der gesellschaftliche Druck ohne Pausen zu arbeiten ist hoch, denn wer „pausenlos“ arbeitet, zeigt große Leistungsbereitschaft und bekommt oft mehr Anerkennung. Oft höre ich die Bemerkung von Seminarteilnehmern meiner Firmenkurse: „Ich sitze den ganzen Tag am PC und arbeite to-do-Listen ab, da ist alles organisiert und kein Platz für Pausen und Bewegung.“ Manche ergänzen dann noch: „Ich lasse die Mittagspause meistens ausfallen, weil ich dann schneller von der ungeliebten Arbeit wegkomme.“

Allerdings ist der Mensch ohne Bewegungspausen viel anfälliger für Stress, da er meist schon längst über sein Limit gearbeitet hat und mit Symptomen, wie verspannten Schultern, müden, trockenen Augen und verschwommener Sicht kämpft. Körperlich angespannt, regt ihn alles auf, was noch zusätzlich kommt. Für Unvorhergesehenes ist da kein Platz mehr. Dieser zusätzliche Stress führt vermehrt dazu, die Schultern hochzuziehen, die Zähne zusammenzubeißen und lässt die Augen erstarren. Irgendwann bleibt nur noch das Gefühl übrig, sich durchs Leben beißen zu müssen. Wenn wir in einem solchen Fall den Kiefer zusammenpressen, üben wir eine Kraft über den Kiefermuskel aus, die einer Gewichtskraft von 80 Kilogramm entspricht. Diese Kraft dringt bis zur Wirbelsäule und stört die Durchblutung der Augen. Das kann die Sehkraft erheblich beeinträchtigen und die Augen krank machen. Basiert also unsere gewohnte Haltung Tag für Tag auf Anspannung, verlieren wir unsere Dynamik und Beweglichkeit, die wir für eine entspannte Sicht brauchen.

Wirbelsäule beweglich halten

Im Yoga gibt es einen weisen Satz: „Der Mensch ist so alt wie seine Wirbelsäule.“ Halten wir die Wirbelsäule beweglich, dann profitieren auch die Gefäße, Organe und das ganze Nervensystem davon. Eine gute Haltung ist bewegt, locker und bedarf keiner Anstrengung – sie ist sozusagen das Gegenteil von Festhalten. Auch gelingen die Dinge in einem dynamisch-entspannten, lockeren Zustand erfahrungsgemäß viel besser. Deshalb fallen uns die besten Ideen oft bei einem Spaziergang ein. Für die Mobilität von Wirbelsäule, Nacken und Augen brauchen wir Lockerheit, für die wir in kurzen Pausen immer wieder sorgen können. In Seminaren höre ich häufig „Sie haben mit dem Seminar geschafft, was ich in sechs Wochen Kur oder in langer Physiotherapie-Behandlung nicht erreicht habe.“ Woran mag das liegen? Es liegt daran, dass Lockerheit im Nacken ein Schlüssel zu den Augen ist und die Augenbeweglichkeit ein Schlüssel zum Nacken. Wir haben hier ein wunderbares Werkzeug, um von zwei Seiten an die Baustelle der Verspannung heranzugehen. Wir können einerseits über Augenbewegungen den Nacken entspannen und unterstützen andererseits mit Schulter- und Nacken-Übungen eine gute Durchblutung der Augen.

So gehe ich im Seminar wechselweise von zwei Seiten an die Sache heran, einmal über den Nacken und einmal über die Augen. Zuerst beginne ich mit Körperübungen für die ganze Wirbelsäule, den ​Rumpf, die Halswirbelsäule, den Schultergürtel und Nacken. Viele meiner Übungen entsprechen auch einer wohltuenden Gegenbewegung zum Sitzen. Auch kümmern wir uns um Dreh- Streckbewegungen und Seitendehnungen für den Oberkörper, die im Büroalltag so gut wie nicht vorkommen. Wir lassen wir die Arme pendeln und schwingen, sodass der Schultergürtel locker wird. Für die Mobilität von Wirbelsäule, Nacken und Augen brauchen wir Lockerheit, die wir in kurzen Pausen, wie z.B. beim Gang zum Drucker anregen können.

Augenbewegungen locker und fliessend

Dann kümmern wir uns um lockere fließende Augenbewegungen, indem horizontale, vertikale und diagonale Augenbewegungen mit einem Stäbchen angeregt werden. Akkommodationsübungen ergänzen das Programm. Während dem Seminar kläre ich meine Teilnehmer immer wieder über die Wechselwirkung eines freien Nackens und lockeren Augenbewegungen auf. Das leuchtet vielen Seminarteilnehmern ein und gibt manch einem eine völlig neue Sicht auf die Augen und damit auf die Sehkraft, die so eng mit einer beweglichen Wirbelsäule verknüpft ist.

Ihre Judith Bolz

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